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Mieterbund zieht Halbzeitbilanz

Wohnungspolitische Ziele nicht erreicht
Mietrechtsverbesserungen bleiben im Ansatz stecken
Bundesländer in der Pflicht

„Die selbst gesteckten wohnungspolitischen Ziele der Bundesregierung werden nicht erreicht. Der Wohnungsneubau kommt nicht in Schwung und der Bestand an Sozialwohnungen erreicht einen neuen Tiefstand. Notwendige Mietrechtsverbesserungen bleiben im Ansatz stecken. Die Mieten erreichen Rekordniveau und immer mehr Mieter haben Angst vor Verdrängung und Kündigung. Unsere Halbzeitbilanz für die wohnungs- und mietenpolitische Arbeit der Bundesregierung lautet: unbefriedigend. Unsere Erwartungen werden nicht erfüllt“, erklärten der Präsident des Deutschen Mieterbundes (DMB), Lukas Siebenkotten, und die Vorsitzende des DMB-Landesverbandes Sachsen, Anke Matejka, auf dem 15. Sächsischen Mietertag in Dresden. „Aber nicht nur die Bundesregierung, auch die Landesregierungen sind in der Pflicht. Sie müssen den sozialen Wohnungsneubau vorantreiben, mit Hilfe von Landesverordnungen Spielräume zur Begrenzung von Mietpreistreibereien nutzen, Zweckentfremdungen von Mietwohnungen verhindern, sie können über den Bundesrat Einfluss auf die Mietgesetzgebung nehmen und Anstöße für Mietrechtsverbesserungen geben. Auch hier ist noch viel Luft nach oben.“

 

Wohnungsneubau: Die Bundesregierung hat für diese Legislaturperiode den Neubau von 1,5 Millionen Wohnungen als Ziel ausgegeben. Statt der dafür benötigten 375.000 Wohnungen pro Jahr wurden 2018 aber nur 285.000 Wohnungen fertiggestellt. Anzeichen für höhere Fertigstellungszahlen in den nächsten Jahren sind nicht in Sicht - im Gegenteil, aktuell sinken die Baugenehmigungszahlen sogar.

Sozialer Wohnungsbau: Auch auf dem Wohngipfel im Bundeskanzleramt am 21. September 2018 wurde die Stärkung des sozialen Wohnungsbaus versprochen. Tatsächlich sank 2018 der Bestand an Sozialwohnungen auf einen historischen Tiefstand von 1,18 Millionen. Nach wie vor fallen zwei- bis dreimal so viele Wohnungen aus den Preisbindungen, wie neue Sozialwohnungen gebaut werden. 2018 waren es gerade einmal 27.000 Sozialwohnungen in ganz Deutschland.

Lukas Siebenkotten: „In der Wohnungspolitik ist ein radikaler Kurswechsel notwendig. Die Impulse, die die Bundesregierung in den letzten zwölf Monaten versucht hat zu setzen, sind untaugliche Ansätze. Das milliardenschwere Baukindergeld wird vor allem für den Erwerb von Wohneigentum genutzt. Neubau, insbesondere in den Großstädten und Ballungsgebiete, entsteht nicht. Die zeitlich befristete Sonder-AfA für den Mietwohnungsneubau schafft, anders als versprochen, keinen Neubau im bezahlbaren Mietsegment. Dazu hätte eine Mietobergrenze beschlossen werden müssen.

Positiv ist, dass sich nach einer erfolgten Grundgesetzänderung der Bund auch in den nächsten Jahren an der Förderung des sozialen Wohnungsbaus beteiligen kann. Die im nächsten Jahr zur Verfügung stehenden Finanzmittel von nur noch 1 Milliarde Euro liegen aber rund ein Drittel unter den Förderbeträgen der letzten beiden Jahre.

Wir fordern 80.000 neue Sozialwohnungen pro Jahr und 75.000 Wohnungen, in denen Preisbindungen über Modernisierungsförderungen bzw. den Ankauf von Belegungsrechten geschaffen werden. Dazu müssen mindestens 60.000 steuerlich geförderte neue Wohnungen mit Mietobergrenzen entstehen. Bund und Länder müssen hierfür rund 9 Milliarden Euro pro Jahr zur Verfügung stellen. Wenn der Bund in der vierjährigen Legislaturperiode zusammen 5 Milliarden Euro für den sozialen Wohnungsbau an die Länder überweist, ist das nur ein ‚Tropfen auf den heißen Stein‘. Ein weiteres und drastisches Abschmelzen der Sozialwohnungsbestände wird damit billigend in Kauf genommen.“

Anke Matejka: „Bei der Wohnraumförderung, das heißt beim sozialen Wohnungsneubau, dürfen sich die Länder nicht aus der Verantwortung stehlen. Sie sind letztendlich die Hauptverantwortlichen. Sie müssen mit attraktiven Förderbedingungen Investitionen in den sozialen Wohnungsbau anreizen. Die zur Verfügung stehenden Bundesmittel müssen zweckgerichtet für den Neubau von Sozialwohnungen verwendet werden und sind mindestens in gleicher Höhe durch Landesmittel aufzustocken. Hier hat der Freistaat Sachsen einen riesigen Nachholbedarf. In den Jahren 2000 bis 2016 wurden gar keine Sozialwohnungen gefördert. 2017 waren es 1.125 und 2018 nur noch 884, das heißt 21,4 Prozent weniger als im Vorjahr. In ganz Sachsen gibt es noch 11.769 Sozialwohnungen. Vorsichtig geschätzt brauchen wir allein in Dresden und Leipzig 20.000 Sozialmietwohnungen.“

 

Mietrecht: Die Bundesregierung hat angekündigt und versprochen, den Mieterschutz zu verbessern, den Anstieg der Mietpreise zu dämpfen, um die Bezahlbarkeit des Wohnens zu sichern. Zwischenzeitlich hat die Bundesregierung auch eine Reihe von neuen und geänderten Mietrechtsbestimmungen verabschiedet bzw. auf den Weg gebracht:

Die Regelungen zur Mietpreisbremse wurden zum 1. Januar 2019 leicht verbessert. Modernisierungsmieterhöhungen wurden auf 2 bzw. 3 Euro pro Quadratmeter und Monat begrenzt, Vermieter dürfen nur noch 8 statt 11 Prozent der Modernisierungskosten auf die Jahresmiete aufschlagen. Neue Gesetzesinitiativen der Bundesregierung sehen jetzt vor, die Mietpreisbremse bis zum Jahr 2025 zu verlängern, Vermieter sollen verpflichtet werden, überhöhte, zu Unrecht kassierte Mieten vom Beginn des Mietverhältnisses an zurückzuzahlen, und der Betrachtungszeitraum bei der ortsüblichen Vergleichsmiete soll von 4 auf 6 Jahre verlängert werden.

Lukas Siebenkotten: „Es gibt Verbesserungen im Mietrecht, sie reichen aber bei weitem nicht aus, um den ständigen Mietpreisanstieg wirksam zu begrenzen. Mit weichgespülten Koalitionskompromissen können die Mietpreissteigerungen nicht gestoppt werden. Notwendig sind eine wirksame, nicht von Ausnahmen durchlöcherte und bundesweit geltende Mietpreisbremse für Wiedervermietungsmieten und Bußgelder für Vermieter, die das Gesetz ignorieren. Mieterhöhungen in bestehenden Mietverhältnissen sind auf 6 Prozent in 3 Jahren zu begrenzen. Bei der Berechnung der ortsüblichen Vergleichsmiete müssen alle Mieten und Mieterhöhungen der letzten 10 Jahre berücksichtigt werden. Mieterhöhungen nach Modernisierungen müssen sehr viel stärker begrenzt werden als bisher. Mieterhöhungen von bis zu 3 Euro pro Quadratmeter sind für die meisten Mieterhaushalte einfach nicht bezahlbar. Zur Realisierung der Klimaschutzziele sind energetische Modernisierungen aber unverzichtbar. Wir fordern eine Absenkung der Modernisierungsumlage auf höchstens 4 Prozent bei einer gleichzeitigen Aufstockung der Fördermittel auf 6 Milliarden Euro pro Jahr.“

Anke Matejka: „Schon nach der jetzigen Rechtslage haben die Länder verschiedene Möglichkeiten, für Verbesserungen zu sorgen. Der Freistaat Sachsen macht hiervon keinen Gebrauch. Es gibt keine Zweckentfremdungsverordnung, die die Nutzung von Wohnungen als Büro oder Ferienwohnung oder zu sonstigen gewerblichen Zwecken verbietet, keine verlängerte Kündigungssperrfrist nach der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen, keine Mietpreisbremse und nur eine reduzierte Kappungsgrenze, die Mieterhöhungspielräume in bestehenden Mietverhältnissen begrenzt, für Dresden und Leipzig, die aber bereits Mitte nächsten Jahres auslaufen soll.

Hier besteht Handlungsbedarf, insbesondere die Kappungsgrenzen-Verordnung muss jetzt kurzfristig verlängert werden. Gleichzeitig fordern wir den Freistaat Sachsen auf, Gesetzesinitiativen der Länder Bayern, Hamburg, Schleswig-Holstein und Berlin im Bundesrat zu unterstützen. Wir brauchen wirksame gesetzliche Bestimmungen, die Mieter vor überhöhten Mieten schützen und dafür sorgen, dass die Grundsteuer nicht länger über die Betriebskostenabrechnungen auf die Mieter abgewälzt werden darf.“

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