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Mietenstopp einführen – Mietwucher-Paragrafen endlich scharf stellen

Weitere Forderungen der Kampagne Mietenstopp

Fast 30 Euro pro Quadratmeter Kaltmiete bezahlt Juliane Schneider (Name geändert) aus München für ihre kleine Wohnung. Kein Einzelfall. Die Mietpreise in Deutschland gehen weiter nach oben. So zogen die Mieten für Bestandswohnungen laut „ImmoScout24 WohnBarometer“ 2021 bundesweit um durchschnittlich 4,1 Prozent gegenüber dem Vorjahr an, für Neubauwohnungen sind es sogar 7 Prozent. Die Mieten müssen deutlich stärker als im Koalitionsvertrag vereinbart begrenzt werden – und zwar sofort, fordert die bundesweite, überparteiliche Kampagne Mietenstopp. In der Kampagne engagieren sich lokale Mieter*innen-Initiativen, außerdem der Deutsche Mieterbund, der Paritätische Gesamtverband und der Deutsche Gewerkschaftsbund. Neu dabei im Bündnis ist bei dessen einjährigen Bestehen die Arbeiterwohlfahrt.

Eine erste effektive Maßnahme, die die neue Regierung schnell umsetzen könnte, ist den „Mietwucher-Paragrafen“ (§ 5 Wirtschaftsstrafgesetz, „Mietpreisüberhöhung“) scharf zu stellen. Wenn die Miete mehr als 20 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegt, sieht diese Vorschrift eine Absenkung der Miete und ein Bußgeld für die Vermieter*innen vor. Bisher ist er in der Praxis jedoch kaum anwendbar, da Mieter*innen beweisen müssen, dass Vermieter*innen eine Zwangslage aufgrund des geringen Angebots an Wohnungen ausgenutzt haben. In den vergangenen Jahren gab es verschiedene politische Vorstöße den Paragrafen zu ändern und diese Voraussetzung zu streichen – passiert ist bisher nichts. Im Koalitionsvertrag taucht das Thema nicht auf. Aktuell hat sich der Bundesrat am vergangenen Freitag auf Initiative des Freistaats Bayern erneut dafür ausgesprochen, das Gesetz zu ändern. Nun ist der Bundestag am Zuge. „Wenn die Ampel Mieterinnen und Mieter wirklich besser schützen will, muss sie den Mietwucher-Paragrafen sofort für die Praxis anwendbar machen. Ansonsten bleibt er weiterhin ein zahnloser Tiger“, so Monika Schmid-Balzert, Sprecherin der Kampagne Mietenstopp.

Auch die Mietpreisbremse bei Wiedervermietungen von Wohnungen muss verschärft und nicht nur, wie es im Koalitionsvertrag festgehalten ist,  verlängert werden. Für Mieter*innen im Bestand ist ein Mietenstopp für sechs Jahre die beste Lösung: Er würde die Mieten auf dem jetzigen Stand einfrieren – auch bei Index- und Staffelmietverträgen. Die von der Ampel geplante Senkung der Kappungsgrenze für Mieterhöhungen im Bestand von 15 auf 11 Prozent in angespannten Wohnungsmärkten reicht nicht aus.

Bauen allein wird die derzeitige Wohnungs- und Mietenkrise nicht lösen. Nach wie vor ist unklar, wie die von der Bundesregierung geplanten 400.000 Wohnungen pro Jahr angesichts der Probleme in der Baubranche geschafft werden sollen. Außerdem reichen 100.000 geförderte Wohnungen nicht, um den Mangel an Sozialwohnungen in Deutschland aufzufangen. Sie wären aber ein wesentlicher Schritt in die richtige Richtung.

Hinweis: Aktive der Mietenszene aus ganz Deutschland treffen sich vom 22. bis 24. April beim zweiten bundesweiten Mietenstopp-Gipfel in Bochum. Weitere Infos in Kürze auf www.mietenstopp.de.


Vertreter*innen der Kampagne Mietenstopp fordern darüber hinaus:

Lukas Siebenkotten, Präsident Deutscher Mieterbund: „Wir brauchen dringend deutlich mehr bezahlbare Mietwohnungen, vor allem in Ballungszentren und deren Umgebung. Den Menschen mit schmalem Geldbeutel hilft es nichts, wenn weiterhin vor allem teure Wohnungen für die Wohlhabenden entstehen. Der verstärkte Bau geförderter Wohnungen ist ein wichtiger Bestandteil der dafür erforderlichen Strategie. Bauen allein aber reicht nicht aus und dürfte angesichts drastisch steigender Baupreise ohnehin nicht ohne massiven zusätzlichen Einsatz von Fördergeldern möglich sein. Notwendig sind auch Lösungen im Bestand, wie die deutliche Verlängerung von Belegungsbindungen und die Sicherung der Bezahlbarkeit von Wohnungen, deren Miete heute noch erschwinglich ist.“

Michael Groß, Präsident Arbeiterwohlfahrt: „Wohnraum darf schlicht nicht mehr als Spekulationsmasse genutzt werden. Im täglichen Kontakt mit den Menschen, die Unterstützung bei den Einrichtungen und Diensten der AWO suchen, spüren wir den zunehmenden Druck, den das Thema Wohnen auslöst. Wohnen wird immer mehr zum Armutsrisiko, Verdrängung und Segregation werden Realität. Wir brauchen mehr gemeinwohlorientierte und gemeinnützige Akteure auf dem Wohnungsmarkt, fordern hier mutige Schritte und effiziente Regelungen. Das Recht auf Wohnen ist unverzichtbar. Wohnen ist keine Ware, sondern Menschenrecht!“

Lorena Jonas, Initiative „23 Häuser sagen Nein“ & „Bizim Kiez“: Das kommunale Vorkaufsrecht war einst ein zentral wichtiges Instrument. Mit ihm konnten sich die Kommunen nach Jahrzehnten der Privatisierung durch den Ausbau kommunaler Bestände ein Stück Souveränität über die Stadtentwicklung vor Ort zurückerobern und Mieter*innen vor dem steigenden Verdrängungsdruck schützen. Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts im vergangenen November hat dieses politische Mittel nutzlos gemacht. Doch schlecht gemachte Gesetze können korrigiert und damit politische Regulierung des Marktes wieder anwendbar gemacht werden. Und genau das fordern Mieter*innen und Kommunen nun von der Bundesregierung ein – eine sofortige rechtssichere Neufassung des kommunalen Vorkaufsrechts!“

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