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67. Deutscher Mietertag: Öffentliche Kundgebung

Fehlen bezahlbarer Mietwohnungen und explodierende Mietpreise bedrohen sozialen Frieden in Deutschland

„Hand in Hand mit dem Defizit an bezahlbaren Wohnungen geht eine Explosion der Neuvertragsmieten, die Mietpreisbremse hat keine Wirkung gezeigt. Gleichzeitig steigen die Bestandsmieten dramatisch“, erklärte der Präsident des Deutschen Mieterbundes (DMB), Dr. Franz-Georg Rips, auf der öffentlichen Kundgebung im Rahmen des 67. Deutschen Mietertages in Magdeburg. „Hinzu kommt eine Modernisierungspraxis, die es erlaubt, 11 Prozent der Investitionskosten als Mieterhöhung  auf die Jahresmiete aufzuschlagen. Das bewirkt häufig nichts anderes, als die Vertreibung der Mieter aus ihren Wohnungen. Sie können die neue Modernisierungsmiete nicht mehr zahlen. Das führt zu einer Entmischung der Städte und zu einem Verdrängen der durchschnittlich oder schlecht verdienenden Menschen an den Rand der Städte und auf das Land. Hier sehe ich mittelfristig den sozialen Frieden in Deutschland gefährdet. Die Stärke unseres Landes bestand darin, dass wir durch gemeinsames Leben in den Städten und Zentren den gesellschaftlichen Zusammenhalt sichern und bessern konnten. Wir sind auf dem Wege, dieses hohe Gut schleichend zu verlieren.“  
Der Mieterbund-Präsident forderte: „Wir brauchen eine neue soziale Wohnungspolitik, eine öffentliche Investitionsoffensive, Steuergerechtigkeit und ein sozial ausgewogenes und gerechtes Mietrecht.“  

Gunther Adler, Staatssekretär im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit, forderte in seinem Statement auf der öffentlichen Kundgebung: „Die Mietpreisbremse muss scharfgestellt werden. Angemessener und bezahlbarer Wohnraum für alle muss unser Ziel sein. Das ist die Voraussetzung für den sozialen Frieden. Die Aufstockung der Finanzmittel für den sozialen Wohnungsbau auf 1,5 Milliarden Euro war notwendig, ich halte weitere Aufstockungen in den nächsten Jahren für sinnvoll. Wir müssen schneller und preiswerter bauen, das Bauplanungsrecht vereinfachen und beschleunigen, die 16 verschiedenen Landesbauordnungen harmonisieren und bestehende Regelungen und Vorschriften durchforsten. Seit 1990 haben sich diese Normen, die beim Wohnungsbau beachtet werden müssen, verdreifacht.“
Adler appellierte an die Wirtschaft, mehr Werkswohnungen für die Beschäftigte zu bauen. Das müsse auch für den Bund gelten, der Wohnungen für seine Bediensteten anbieten müsse. Der Bund müsse über 2019 hinaus Kompetenz und Verantwortung für den sozialen Wohnungsbau behalten.  

Gerd Billen, Staatssekretär im Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, machte in seinem Statement deutlich, dass Mietrechtsverbesserungen in dieser Legislaturperiode am Koalitionspartner CDU/CSU und der Wohnungswirtschaft gescheitert seien. Ein vom Bundesjustizministerium vorgelegter Gesetzentwurf sei blockiert worden. Billen sprach sich für folgende Mietrechtsverbesserungen aus:  

  • Die Mietpreisbremse darf nicht in der nächsten Legislaturperiode auslaufen, sie muss verlängert und verschärft werden. Das bedeutet, Vermieter müssen verpflichtet werden, zu viel erhaltene Miete auch für die Vergangenheit zurückzuzahlen. Es muss schmerzhaft sein, gegen das Gesetz zu verstoßen. Außerdem muss es eine vorvertragliche Pflicht geben, zum Beispiel die Vormiete offenzulegen. 
  • Die Mietwuchervorschrift des Paragrafen 5 Wirtschaftsstrafgesetz muss verschärft werden, wir wollen schwarzen Schafen das Handwerk legen.
  • Energetische Modernisierungen sind oft ein Herausmodernisierungs-Programm. Modernisierungen dürfen aber nicht nur auf Kosten der Mieterinnen und Mieter durchgeführt werden. Wir brauchen einen Paradigmenwechsel – Absenkung der Modernisierungsumlage, Begrenzung der Modernisierungsmieterhöhungen auf 3 Euro pro Quadratmeter innerhalb von 8 Jahren und eine Härtefallklausel. 
  • Bei der ortsüblichen Vergleichsmiete und beim Mietspiegel muss der Betrachtungszeitraum von derzeit 4 Jahren deutlich verlängert werden. 
  • Der Kündigungsschutz, insbesondere beim Eigenbedarf, muss verbessert werden, durch die Rechtsprechung stimmt die Balance im sozialen Mietrecht nicht mehr.    


Im Anschluss an diese Statements diskutierten die wohnungs- und rechtspolitischen Sprecher der Bundestagsfraktionen – Timo Sorge (CDU), Michael Groß (SPD), Caren Lay (Die Linke) und Renate Künast (Bündnis 90/Die Grünen) – das diesjährige Mietertags-Motto „Für eine neue soziale Wohnungspolitik“.  

Michael Groß, Caren Lay und Renate Künast waren sich einig, dass die Mietpreisbremse nachgebessert werden muss, sie habe zu viele Löcher (Künast), müsse neu geschrieben werden (Lay). Außerdem sahen die Vertreter von SPD, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen dringend Handlungsbedarf bei energetischen Modernisierungen und beim Kündigungsschutz.  

Während Caren Lay die Abschaffung der 11-Prozent-Umlagemöglichkeit forderte, wollen Michael Groß und Renate Künast diese spürbar absenken. Timo Sorge (CDU) stand Korrekturbedarf, zum Beispiel bei der Mietpreisbremsen-Regelung, zu, betonte aber auch, dass die Interessen von Vermieters und privaten Investoren berücksichtigt werden müssen. Er wehrte sich gegen die „Schwarze-Peter-Rolle“, wonach die Union alle Mietrechtsverbesserungen in dieser Legislaturperiode blockiert hätte. Einig waren sich die vier Parteienvertreter darüber, dass mehr sozialer Wohnungsbau benötigt wird.  

Michael Groß forderte, der Bund müsse auch nach 2019 in der Verantwortung für den sozialen Wohnungsbau bleiben. Gemeinwohlorientierte Unternehmen, kommunale Gesellschaften und Genossenschaften müssten stärker unterstützt werden.  

Caren Lay forderte, 250.000 neue Sozialwohnungen pro Jahr, den Ankauf von Belegungsbindungen und eine Rekommunalisierung. Dazu seien 5 Milliarden Euro jährlich notwendig. Eine neue Wohnungsgemeinnützigkeit müsse Kernbestandteil einer neuen sozialen Wohnungspolitik werden.  

Renate Künast forderte, öffentliche Gelder nur für die Realisierung öffentlicher Interessen zu verwenden. Benötigt werde ein sozialgebundenes Wohnungsmarktsegment und eine neue Wohnungsgemeinnützigkeit.

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