150 Jahre Mieterverein Dresden
Für bezahlbares Wohnen und ein gerechtes Mietrecht
„150 Jahre Mieterverein Dresden heißt 150 Jahre Beratung und Beistand für Mieterinnen und Mieter, Kampf für ein sozialgerechtes Mietrecht und für ein bezahlbares Wohnungsangebot“, erklärte der Präsident des Deutschen Mieterbundes (DMB), Dr. Franz-Georg Rips, auf einer Pressekonferenz in Dresden im Vorfeld der Feier des 150. Geburtstages des ersten deutschen Mietervereins. „Mietervereine sind heute genauso wichtig wie vor 150 Jahren. Wer, wenn nicht der Mieterverein und sein Dachverband, der Deutsche Mieterbund, soll für mehr Wohnungen, insbesondere mehr Sozialwohnungen, streiten, für wirkungsvolle Begrenzungen bei immer schneller steigenden Mieten sorgen oder ungerechtfertigte Vermieterforderungen ablehnen und dafür sorgen, dass sich Mieter und Vermieter auf Augenhöhe begegnen können?“
Der 1868 gegründete Dresdner Miethsbewohnerverein hatte sich die Wahrung und Förderung der Rechte und Interessen der Miethsbewohner auf die Fahnen geschrieben. Gegen bestehende Ungerechtigkeiten wollte man antreten. Gegen die geballte Macht eines Kartells von grundbesitzenden Kommunalpolitikern und eine einflussreiche Hausbesitzerorganisation, die mit Hilfe ihrer Formularmietverträge die Abhängigkeit und weitgehende Rechtslosigkeit der Mieter zementierte, setzte der Dresdner Miethsbewohnerverein auf eine Bündelung der Interessen und auf Hilfe und Vertretung der Einzelnen: „Da in den meisten Fällen der Einzelne ohnmächtig dasteht, hat der Verein es sich zur Pflicht gemacht, seinen Mitgliedern in allen und jeden Fällen mit Rath und Tath beizustehen, sowie auch die Selben zu vertreten.“
Der Allgemeine Mietbewohnerverein Dresden, der 1883 als Nachfolger des Dresdner Miethsbewohnervereins gegründet wurde, betonte, sein Engagement komme nicht nur den Vereinsmitgliedern selbst, sondern allen Mietern zu Gute. Der Verein habe durch Aufklärung in Wort und Schrift dazu beigetragen, dass die Bedeutung der Wohnungsfrage erkannt wird,
- Reich, Staat, Gemeinde und Gesellschaft müssten zur Beseitigung der ungeheuren Missstände zusammenarbeiten.
- Man begrüßt, dass nicht nur Private, auch Gemeinden und Staat die Erbauung von Häusern mit billigen Wohnungen fördern müssen, indem sie entweder selbst als Unternehmen oder als Darleiher von Kapitalien oder Land auftreten.
- Es wird klar, dass das Reich das Mietrecht regeln muss im Sinne des Schutzes des Schwachen und sich nicht scheuen darf, hierzu die Vertragsfreiheit anzutasten.
- Hauptursache der hohen Mieten sind die hohen Bauland- und Häuserpreise, welche wieder zum Teil durch ungesunde Spekulation herbeigeführt werden.
- Als Abwehr-Maßregeln ist unter anderem eine wirksame Konkurrenz durch kommunalen Grundbesitz zu schaffen.
„Auch wenn die damalige Situation der Mieter, die Wohnungsversorgung und die rechtliche Absicherung nicht mit der heutigen vergleichbar sind, viele der Forderungen der Mietervertreter aus dem Jahr 1893 sind immer noch aktuell“, erklärte der Mieterbund-Präsident. „Auch unsere zentralen Forderungen sind: Bezahlbares Wohnen schaffen und den Anstieg der Mieten begrenzen.“
Bezahlbares Wohnen schaffen
In Deutschland fehlen 1 Million Wohnungen. Folge davon sind stark steigende Mieten, insbesondere in den Ballungszentren, Groß- und Universitätsstädten. Ziel der Bundesregierung ist es, in dieser Legislaturperiode insgesamt 1,5 Millionen Wohnungen bauen zu wollen. Dabei setzt die Bundesregierung auf das seit diesem Jahr geltende Baukindergeld, auf Sonderabschreibungen im Wohnungsneubau und eine Stärkung des sozialen Wohnungsbaus.
Mieterbund-Präsident Dr. Franz-Georg Rips: „Die Zielsetzung der Bundesregierung unterstützen wir voll und ganz. Aber das Baukindergeld ist wohnungspolitisch unsinnig. Es führt in ländlichen Regionen zu Mitnahmeeffekten, reizt in Städten allenfalls den Kauf von Eigentumswohnungen an und erhöht damit die Gefahr, dass zusätzlich Mietwohnungen in Eigentumswohnungen umgewandelt werden. Neue und vor allem bezahlbare Wohnungen werden dadurch nicht entstehen. Die für das Baukindergeld prognostizierten Ausgaben von 3 bis 4 Milliarden Euro wären besser im sozialen Wohnungsbau aufgehoben.“
Auch das in den letzten Wochen im Bundestag beschlossene Gesetz zur steuerlichen Förderung des Mietwohnungsneubaus sieht der Mieterbund-Präsident skeptisch.
Rips: „Das Ziel, den Mietwohnungsneubau im mittleren Preissegment mit einer Sonder-AfA anzureizen, begrüßen wir. Der Gesetzentwurf sieht aber keine Mietobergrenze vor. Damit kann nicht sichergestellt werden, dass die steuerlich geförderten Mietwohnungen nach Fertigstellung tatsächlich im bezahlbaren Mietsegment angeboten werden. Bauherren und Investoren, die die Sonderabschreibung in Anspruch nehmen, sind zu keiner Gegenleistung verpflichtet. Sie werden die Wohnungen - trotz Steuergeschenke - zu den aktuell hohen Marktpreisen vermieten. Etwas anderes zu glauben, ist blauäugig.“
Positiv beurteilt der Mieterbund-Präsident Dr. Franz-Georg Rips die Aufstockung der Bundesmittel für den sozialen Wohnungsbau von 1,0 auf 1,5 Milliarden Euro für das Jahr 2019. Ausdrücklich lobt er den Gesetzentwurf der Bundesregierung, mit dem über eine Grundgesetzänderung sichergestellt werden soll, dass der Bund auch nach 2019 Finanzmittel für den sozialen Wohnungsbau zur Verfügung stellen darf.
Rips: „Bezahlbarer Mietwohnungsneubau heißt Sozialmietwohnungen bauen. Ich fordere die Bundesländer auf, die geplante Grundgesetzänderung nicht zu blockieren. Nur dann kann sich der Bund nach 2019 finanziell am Bau von Sozialmietwohnungen beteiligen.“
Das Ziel der Bundesregierung, in dieser Legislaturperiode 100.000 Sozialmietwohnungen zu bauen, nannte der Mieterbund-Präsident ausgesprochen unambitioniert und wenig ehrgeizig. Schon in den letzten beiden Jahren wurden nur 26.000 bzw. 28.000 Sozialmietwohnungen gebaut. Derartige Fertigstellungszahlen reichten noch nicht einmal aus, um den jährlichen Schwund von etwa 40.000 bis 50.000 Sozialmietwohnungen auszugleichen.
Rips: „Wir brauchen nicht 100.000 Sozialmietwohnungen in 4 Jahren, sondern jährlich. Dazu ist eine Aufstockung der Finanzmittel durch den Bund erforderlich und die Länder müssen mindestens in gleicher Höhe Haushaltsmittel für den sozialen Wohnungsbau zur Verfügung stellen. Nicht zuletzt dafür werden sie ab 2020 einen höheren Anteil an der Umsatzsteuer erhalten.“
Rips betonte, dass es jetzt Aufgabe der Länder sei, attraktive Förderbedingungen für den sozialen Wohnungsbau aufzulegen. Öffentliche Grundstücke müssten vorrangig für den sozialen Wohnungsbau zur Verfügung gestellt werden und über so genannte Konzeptvergaben wie zum Beispiel in Hamburg müsse sichergestellt werden, dass bei allen Bauvorhaben eine Quote von 30 bis 50 Prozent für Sozialmietwohnungen reserviert werde. „Der soziale Wohnungsbau muss auf allen politischen Ebenen Priorität erhalten“, sagte Rips.
Anstieg der Mieten begrenzen
Die hohe und weiter wachsende Nachfrage nach Wohnungen, insbesondere in den Städten, und ein stagnierendes bzw. nur geringfügig steigendes Wohnungsangebot treiben die Mietpreise immer weiter in die Höhe. Mietrechtsänderungen zur Begrenzung der Mietsteigerungen sind daher dringend erforderlich.
Die 2015 in Kraft getretene Mietpreisbremse, die die Mieten nach einem Mieterwechsel auf 10 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete begrenzt, ist bisher weitgehend wirkungslos geblieben.
Mieterbund-Präsident Dr. Franz-Georg Rips: „Notwendig ist eine generelle, bundesweit und zeitlich unbefristet geltende gesetzliche Mietpreisbremse, ohne diverse Ausnahmeregelungen und mit Sanktionen für Vermieter, die sich nicht an das Gesetz halten. Das jetzt im Bundestag beschlossene Mietrechtsanpassungsgesetz bessert nur in einem Punkt nach: Der Vermieter muss künftig beim Abschluss des Mietvertrages darlegen, ob und warum er sich auf einen Ausnahmetatbestand beruft. Das schafft mehr Transparenz, mehr aber auch nicht.“
Zurzeit kann der Vermieter die Kosten einer Modernisierung mit 11 Prozent auf die Jahresmiete umlegen, zeitlich unbegrenzt. Eine energetische Modernisierung, die für eine Mieterwohnung anteilig 30.000 Euro kostet, erlaubt es dem Vermieter, danach die Miete um 3.300 Euro im Jahr bzw. 275 Euro im Monat zu erhöhen. Mit dem jetzt beschlossenen Mietrechtsanpassungsgesetz wird die Modernisierungsumlage bundesweit auf 8 Prozent abgesenkt. Gleichzeitig werden Kappungsgrenzen einführt. Innerhalb von 6 Jahren darf die Miete aufgrund von Modernisierungen höchstens 3 Euro bzw. 2 Euro pro Quadratmeter und Monat steigen.
Rips: „Hier haben die Koalitionsparteien auf Initiative der SPD noch einmal Änderungen vorgenommen. Wir begrüßen die vereinbarten Nachbesserungen. Wichtig ist, dass die Absenkung der Modernisierungsumlage auf 8 Prozent künftig bundesweit gelten wird und nicht nur in einzelnen Städten. Positiv ist auch, dass erstmals eine Kappungsgrenze für Mieterhöhungen nach Modernisierungen eingeführt wird und die 3-Euro-Kappungsgrenze abgesenkt wird auf 2 Euro pro Quadratmeter, wenn die bisherige Miete unter 7 Euro pro Quadratmeter liegt. Aber wir haben sehr viel weiter gehende Verbesserungen gefordert: Abschaffung der Modernisierungsumlage bzw. zumindest Reduzierung der Umlage auf 4 Prozent und eine Kappungsgrenze von 1,50 Euro pro Quadratmeter.“
Die häufigste Form der Mieterhöhung in bestehenden Mietverhältnissen ist die Erhöhung auf die ortsübliche Vergleichsmiete. Korrekturen oder Änderungen in diesem Bereich sieht der Entwurf des Mietrechtsanpassungsgesetzes nicht vor.
Rips: „Korrekturen im Mieterhöhungsrecht sind überfällig. Die Stellung des Mietspiegels bei der Begründung der ortsüblichen Vergleichsmiete muss gestärkt werden. Die Vergleichsmiete darf nicht länger nur über Vertragsabschlüsse und Mieterhöhungen der letzten 4 Jahre definiert werden. Dieser so genannte Betrachtungszeitraum muss auf 10 Jahre verlängert werden. Außerdem sind die Kappungsgrenzen zu senken. Wir fordern, dass die Miete in 3 Jahren höchstens um 10 Prozent bzw. um 6 Prozent in Gebieten mit erhöhtem Wohnungsbedarf steigen darf.“
Seit Jahren fordert der Bundesrat immer wieder eine Reform des Mietwucher-Paragrafen im Wirtschaftsstrafgesetz. Ziel ist es, die Vorschrift, die unzulässig hohe Mieten als Ordnungswidrigkeit ahnden soll, für die Praxis anwendbar zu machen. Die Bundesregierung hat die Vorschläge des Bundesrats bisher nicht aufgegriffen.
Rips: „Die Mietwucher-Vorschrift greift nur, wenn der Vermieter nachweisbar das geringe Wohnungsangebot ausgenutzt hat, um eine unzulässig hohe Miete zu fordern oder zu vereinbaren. Dieser Nachweis ist praktisch nicht zu führen, diese Anforderung muss aus dem Gesetz gestrichen werden. Letztlich muss gelten: Wer eine Miete verlangt, die mehr als 15 Prozent oder 20 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegt, begeht eine Ordnungswidrigkeit und muss sanktioniert werden.“