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Gipfel zum Wohnen: Instrumente für Deutschlands „Bau-Offensive“

50 Prozent Neubau-Plus, um 400.000 Wohnungen zu schaffen

Der Wohnungsbau – eine der größten politischen Baustellen in Deutschland: Um rund 50 Prozent muss der Neubau von Wohnungen gesteigert werden. Erst dann wäre die Zielmarke von 400.000 Wohnungen zu erreichen, die in Deutschland in diesem Jahr neu gebaut werden müssen. „Davon sind wir weit entfernt – zu weit. Bund, Länder und Kommunen haben ihre politischen ‚Wohnungsbau-Hausaufgaben‘ noch längst nicht gemacht. Das rächt sich jetzt. Der Wohnungsneubau kommt nicht in Gang, weil der Staat ihm die notwendigen Impulse nicht gibt“, sagte Michael Neitzel am Donnerstag auf dem 8. Wohnungsbau-Tag 2016 in Berlin, der unter dem Motto „Instrumente für den Wohnungsbau“ stand.  

Auf dem Branchen-Gipfel präsentierte der Wissenschaftler vom Institut für Wohnungswesen, Immobilienwirtschaft, Stadt- und Regionalentwicklung (InWIS) an der Ruhr-Universität Bochum die politische „To-Do-Liste“ für den Wohnungsbau in Deutschland. Ganz oben auf der Liste: InWIS kommt in seiner aktuellen Wohnungsbau-Studie zu dem Ergebnis, dass der Staat alle Investorengruppen zum Neubau von Wohnungen motivieren muss – private Bauherren und die gewerbliche Wohnungswirtschaft genauso wie kommunale Unternehmen und Genossenschaften. „Um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, muss der Staat die Investoren gewinnen – und für sie den Bau von Wohnungen wieder interessant machen. Eine vom Bund gewollte Wohnungsbau-Offensive wird nur dann funktionieren, wenn alle Investorengruppen zusätzliche Anreize bekommen“, so Michael Neitzel.  

Dazu gehöre dringend eine bessere steuerliche Abschreibung: Die lineare Absetzung für Abnutzung (AfA) müsse von 2 auf 3 Prozent erhöht werden. Gerade weil die Lebensdauer von – insbesondere technischen – Gebäudeteilen immer kürzer werde. „Wenn der Wohnungsbau effektiv und schnell starten soll, sind darüber hinaus noch weitere steuerliche Anreize notwendig: Hier sollte es eine Erhöhung der AfA auf 4 Prozent oder eine vergleichbare Sonderabschreibung geben“, so die Empfehlung von InWIS-Studienleiter Neitzel. Als rasch wirksames Instrument für mehr Wohnungsneubau seien zudem Investitionszulagen erforderlich. Diese könnten insbesondere öffentliche Wohnungsbaugesellschaften und Genossenschaften nutzen, die nicht von steuerlichen Anreizen profitieren.  

Zu den dringend erforderlichen Wohnungsbau-Instrumenten gehört, so das Institut, auch günstiges Bauland. Hier seien die Kommunen aufgefordert, mehr Wohnbauflächen bereitzustellen. „Grundsätzlich müssen mehr Wohnungen in den Innenstädten entstehen. Der Bund sollte deshalb über die Baunutzungsverordnung die Weichen für eine höhere Baudichte stellen“, forderte Neitzel. Auch die Aufstockung – also der Bau von „On-Top-Etagen“ auf vorhandenen Gebäuden – müsse intensiver genutzt werden. Auf den Dächern gebe es bundesweit Kapazitäten für mehr als 1,5 Millionen neue Wohnungen.  

An die Länder appelliert InWIS, eine „Grunderwerbssteuer-Bremse für den Neubau“ zu schaffen. Hier sollte der Steuersatz auf dem alten Niveau von 3,5 Prozent begrenzt werden, um die Gesamtkosten – und damit auch die Mieten – nicht unnötig in die Höhe zu treiben. Darüber hinaus müsse es weitere „Kosten-Bremsen“ geben, um das Bauen und Wohnen bezahlbar zu machen: Dies betreffe gesetzliche Anforderungen – allen voran bei der Energieeffizienz. Hier sei, so InWIS, das „wirtschaftlich vertretbare Niveau lange erreicht“.  

Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass bundesweit pro Jahr rund 60.000 Wohnungen im mittleren Preissegment neu gebaut werden müssen. Hierfür seien neue Förderinstrumente erforderlich. „Denn bezahlbare Wohnungen sind in Groß- und Universitätsstädten selbst für Mittelschichthaushalte längst knapp geworden“, sagte Neitzel. Darüber hinaus müsse es neue Förderkonditionen für den Bau von Sozialmietwohnungen geben – etwa durch die Wiedereinführung des Paragraphen 7k im Einkommenssteuergesetz. Deren Bestand schrumpfe von Jahr zu Jahr. Es sei deshalb notwendig, jährlich rund 80.000 Sozialwohnungen neu zu schaffen. Hierfür, so rechnen die Wissenschaftler vor, seien mindestens 3 Milliarden Euro an staatlichen Fördermitteln nötig.  

Eine Herausforderung sieht das Bochumer Institut darin, Flüchtlinge und Asylbewerber, die dauerhaft in Deutschland bleiben, angemessen mit Wohnraum zu versorgen – und zwar so, dass deren aktive Integration in die Stadtquartiere erfolge. Zudem dürfe der Staat bei der „Mammutaufgabe Wohnungsneubau“ die Energiespar-Sanierung und den altersgerechten Umbau von vorhandenen Wohngebäuden nicht vernachlässigen. „Um die Modernisierungsraten zu steigern, sollten Sanierungen dringend stärker gefördert werden“, sagte Neitzel. Die InWIS-Studie zum Wohnungsbau-Tag empfiehlt zudem eine bessere Förderung beim Abriss und anschließenden Neubau von Wohngebäuden: „Der Ersatzneubau ist in vielen Fällen wirtschaftlicher als eine Vollmodernisierung. Er sollte sozial allerdings verträglich erfolgen – und eine KfW-Förderung wie bei der sozialen Wohnraumförderung bekommen, um ihn nicht schlechter zu stellen als eine Vollmodernisierung.“ Für den Ersatzneubau sollten beim Baurecht zudem nicht die Anforderungen wie bei einem Neubau gelten.  

Prominente Redner auf dem Wohnungsbau-Tag waren Bundesbauministerin Barbara Hendricks (SPD), Kanzleramts-Chef Peter Altmaier (CDU), Bayerns Innen- und Bauminister Joachim Herrmann (CSU) und der Staatssekretär im NRW-Bauministerium, Michael von der Mühlen. Der Wohnungsbau-Tag wird jährlich vom Verbändebündnis Wohnungsbau veranstaltet. In dem Bündnis haben sich der Deutsche Mieterbund (DMB), die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU), der Zentralverband Deutsches Baugewerbe (ZDB), der Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW), der Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW), der Bundesverband Deutscher Baustoff-Fachhandel (BDB) und die Deutsche Gesellschaft für Mauerwerks- und Wohnungsbau (DGfM) zusammengeschlossen.

 

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