Finanzminister fördern Bodenspekulation, bestrafen Investitionen und erschweren Schaffung neuen Wohnraums
Mieterbund und NABU fordern Bodensteuer
„Die Länderfinanzminister planen eine Reform der Grundsteuer zu Lasten der Mieter und von Natur und Umwelt“, erklärten der Bundesdirektor des DeutschenMieterbundes (DMB), Lukas Siebenkotten, und der Präsident des Naturschutzbundes Deutschland (NABU), Olaf Tschimpke, heute in Berlin anlässlich des Beschlusses der Finanzministerkonferenz vom 3. Juni 2016 in Neuruppin. „Eine flächendeckende Neubewertung sämtlicher Gebäude und deren laufende Aktualisierung ist aufwändig, langwierig, kompliziert und teuer. Solch ein bürokratischer Overkill verstärkt zudem die sozialen Ungerechtigkeiten und ist ökologisch kontraproduktiv. Bund und Länder müssen endlich die Variante Bodensteuer als die bessere, weil zeitgemäße und viel einfachere Alternative erkennen“, so Lukas Siebenkotten und Olaf Tschimpke.
Sollte sich die Finanzministermehrheit mit ihrem Vorschlag durchsetzen, bedeutet dies:
- Wert vermehrende Investitionen aller Art wie bspw. ein Dachgeschossausbau, eine energetische Sanierung, ein Austausch der Fenster oder andere Modernisierungsmaßnahmen, auch wenn sie baugenehmigungsfrei sind, würden künftig mit einer höheren Grundsteuer bestraft. Bei einer durchschnittlichen Wohnung kann dies nach einer Sanierung ohne weiteres eine Steuererhöhung um 60 Euro oder mehr bedeuten – wohlgemerkt nicht einmalig, sondern jährlich wiederkehrend.
- Die Mieten insgesamt würden steigen, weil Wohnraum in nennenswertem Umfang weiterhin dem Markt vorenthalten würde, zu wenig neuer Wohnraum erstellt würde und die nach Modernisierungsmaßnahmen höhere Grundsteuer 1:1 auf die Miete umgelegt werden kann.
- Demgegenüber würden vor allem Eigentümer großer und wertvoller, an sich bebaubarer, aber baulich nicht oder nur teilweise ausgenutzter Grundstücke steuerlich weitgehend geschont. Grundstücksspekulation auf Kosten der Gemeinschaft (Städte, Gemeinden, Steuerzahler) und von Natur und Umwelt, also das Liegenlassen erschlossener, aber unbebauter und teilbebauter Grundstücke oder das Halten von Leerständen, bliebe steuerlich attraktiv.
- Die neue Gebäudebewertung wäre extrem aufwändig. Das zeigt sich schon darin, dass die Finanzminister selbst mit einem Einführungszeitraum von rund 10 Jahren rechnen. Gebäudeflächen und -höhen (und somit die Anzahl Stockwerke) sollen satellitengestützt und in Kombination mit einer Steuererklärung des Grundstückseigentümers ermittelt werden. Die eigentliche Bewertung soll im Finanzamt anhand der Gebäude-/Nutzungsart, pauschal angenommener Herstellungskosten, des Baujahrs, nach Gebäude-/Nutzungsart differenzierten Abschreibungssätzen sowie spezifischen weiteren Berechnungsfaktoren erfolgen. Wert vermehrende Investitionen wären zu Fortschreibungszwecken künftig meldepflichtig (Steuererklärung). Eigentümer, die auf steigende Bodenpreise spekulieren und bspw. leer stehende Gebäude dem Markt vorenthalten, sollen auch künftig einen Erlass der Grundsteuer beantragen können.
Demgegenüber käme eine reine Bodensteuer gänzlich ohne Gebäudebewertung aus.Deutscher Mieterbund und NABU fordern deshalb gemeinsam und verbunden mit allen Unterzeichnern des Aufrufs „Grundsteuer: Zeitgemäß!“ (www.grundsteuerreform.net) die Grundsteuer als Bodensteuer. „Besteuert werden darf künftig nur noch der Boden. Die Größe und der Wert des Grundstücks müssen Maßstab für die Höhe der Grundsteuer sein, nicht mehr die vorhandene Bebauung“, erklärten Lukas Siebenkotten und Olaf Tschimpke. „Für eine nennenswerte Erhöhung des Angebots an bezahlbarem Wohnraum benötigen wir eine investitionsfreundliche Reform der Grundsteuer. Wir brauchen Anreize, um teil- und unbebaute Grundstücke zu bebauen und zu verdichten und Baulücken zu schließen. Gleichzeitig dürfen Investitionen, wie Sanierungen, Um-, An- oder Ausbauten, nicht mit höheren Steuern (Grundsteuern) bestraft werden.“ In vielen Innenstädten existieren Baulücken, Gewerbebrachen oder stehen Gebäude leer. Ein großer Teil davon wird jahre- oder gar jahrzehntelang von den Eigentümern ungenutzt liegen gelassen und dem Markt vorenthalten. Da die Grundsteuer auf solche Grundstücke vergleichsweise niedrig ist oder den Eigentümern sogar gänzlich erlassen wird, fehlen bisher Anreize, zu investieren. Eine Grundsteuerreform, die den Wert des Bodens (Grundstücks) zum Maßstab macht, würde das spekulative Zurückhalten von Immobilien teurer machen, brächte so Bewegung in den Grundstücksmarkt, und setzte den nötigen, breitenwirksamen Investitionsanreiz zur Deckung des hohen Bedarfs an neuem Wohnraum.