Deutscher Mieterbund fordert dringende Korrekturen des neuen Mieterschutzgesetzes
und zusätzlich einen Sicher-Wohnen-Fonds
Der Deutsche Mieterbund (DMB) sieht dringenden Korrekturbedarf des am 1. April in Kraft getretenen Kündigungsschutzgesetzes für Mieter. „Wir begrüßen die Neuregelung ausdrücklich und freuen uns, dass der Gesetzgeber dem Schutz der Mieterinnen und Mieter vor dem Verlust ihrer Wohnung und Gewerberäume oberste Priorität eingeräumt hat. Allerdings sind nun wichtige Korrekturen am Gesetz vorzunehmen, so dass es die Mieter auch wirklich wasserdicht vor Corona-bedingten Zahlungsverzugskündigungen des Vermieters schützt“, so die Bundesdirektorin des Deutschen Mieterbundes, Melanie Weber-Moritz.
Auch nach dem neuen Gesetz sind Mieter weiterhin verpflichtet, die Mieten zu zahlen. Die Miete ist nicht gestundet. Die Corona-bedingte Nichtzahlung der Miete in den Monaten April 2020 bis Juni 2020 schließt lediglich die diesbezügliche Kündigung des Vermieters bis Ende Juni 2022 aus. Haben Mieter bis Ende Juni 2022 die rückständige Miete nicht nachgezahlt, darf der Vermieter ab diesem Zeitpunkt die Kündigung wieder aussprechen. Begleicht der Mieter alle aufgelaufenen Mietrückstände bis Ende Juni 2022, ist die fristlose Kündigung des Vermieters ausgeschlossen. Dies ist unstrittig.
Problematisch ist der Fall der ordentlichen Kündigung. Im Wohnraummietrecht ist stark umstritten, ob auch die einmal entstandene Pflichtverletzung (die Nicht- oder Teilzahlung der Miete in den Monaten April 2020 bis Juni 2020 trotz gesetzlicher Pflicht zur Mietzahlung) durch die vollständige Begleichung des Mietrückstandes vor Ausspruch der Kündigung entfällt. Der Bundesgerichtshof hat diese Frage bislang nicht entschieden.
Ohne eine gesetzliche Klarstellung, dass die Kündigung generell ausgeschlossen ist, wenn der Vermieter vor Ausspruch der Kündigung die Miete vollständig erhält, läuft der Mieter Gefahr, trotz fristgemäßer Nachzahlung der Miete ab Juli 2022 eine Kündigung wegen Pflichtverletzung zu erhalten. Dann käme es allein darauf an, ob der Mieter die Nicht- oder Teilzahlung in den Monaten April 2020 bis Juni 2020 schuldhaft unterlassen hat. Dies provoziert Streitigkeiten im Mietverhältnis und würde im schlimmsten Fall zu langwierigen Gerichtsprozesse führen. „Das neue Gesetz soll Mieterinnen und Mieter vor dem Verlust ihrer Wohnungen und ihrer Gewerberäume schützen – ohne die von uns geforderte Klarstellung enthält das eigentlich mieterschützende Gesetz hier jedoch erhebliche Lücken“, erklärt Weber-Moritz.
Auch in weiteren Punkten ist die jetzige Regelung unvollständig. Bislang sind die Fälle nicht erfasst, in denen der Mieter die Miete für den Monat März 2020 nicht oder nicht vollständig bezahlt und der für die Kündigung ausreichende Rückstand dann durch das Ausbleiben der Aprilmiete entsteht. Der Mieter wäre in diesem Fall nicht vor der Kündigung des Vermieters geschützt. Entsprechendes gilt, wenn der Mieter die April- und Mai-Miete noch zahlen kann, dann aber im Juni und Juli 2020 nicht mehr genug Geld hat, um seine Miete zu bezahlen. „Der Bundesgesetzgeber muss auch für diese Fälle die Kündigungsmöglichkeit des Vermieters ausschließen. Ansonsten ist das Gesetz lückenhaft und dient nicht seinem Zweck, Mieterinnen und Mieter umfassend vor den Folgen Corona-bedingter Zahlungsschwierigkeiten zu schützen“, so Weber-Moritz. „Außerdem dürfen Mieterinnen und Mieter nicht mit Verzugszinsen belastet werden, wenn sie ihre Mieten nachzahlen. Auch hier besteht nach wie vor dringender gesetzgeberischer Klarstellungsbedarf.“
Zusätzlicher Sicher-Wohnen-Fonds notwendig
„In Ergänzung des erweiterten Kündigungsschutzes ist die Einrichtung eines „Sicher-Wohnen-Fonds“ unerlässlich, der schnell und unbürokratisch hilft, wenn Mieter ihre Miete wegen der COVID-19-Pandemie und ihrer Folgen nicht oder nur noch zum Teil bezahlen können“, fordert der Präsident des Deutschen Mieterbundes, Lukas Siebenkotten.
Unabhängig von möglichen Ansprüchen auf Sozialleistungen (z. B. Wohngeld, Arbeitslosengeld sowie Grundsicherung), deren Antragsbearbeitung monatelang dauern kann, sollte der Fonds sofort eintreten, wenn Mieter darlegen, dass sie zur Mietzahlung ganz oder teilweise nicht in der Lage sind und an diejenigen Vermieter eine Sofortauszahlung vornehmen, die ihrerseits darlegen, dass sie auf diese Miete aus Gründen der Existenzsicherung angewiesen sind oder bei Nichtzahlung in eine erhebliche finanzielle Schieflage geraten. Mittel aus dem Fonds sollten online beantragt und bewilligt werden.
Die Zahlung sollte monatlich wiederkehrend erfolgen, solange COVID-19-bedingt Mieter die Miete nicht oder nur teilweise zahlen können, mindestens aber solange, wie der COVID-19-Kündigungsschutz andauert. Der Mieter sollte die Mittel aus dem Fonds zunächst als zinsloses Darlehen erhalten. Im Nachgang sollte dann geprüft werden, ob Ansprüche auf andere Leistungen aus sozialen Sicherungssystemen oder speziellen COVID-19-Töpfen bestehen, die dann auf die Zahlungen aus dem Fonds anzurechnen sind.
„Gelingt es dem Mieter COVID-19-bedingt auch bis zum 30. Juni 2022 nicht, das zinslose Darlehen zurückzuzahlen, so sollte es im Nachhinein in einen Zuschuss umgewandelt werden“, so Siebenkotten, „Die Verwaltung des Fonds sollte durch eine vom jeweiligen Bundesland zu bestimmende Behörde oder eine kommunale Stelle erfolgen. In Betracht kommen z. B. die Wohngeldstellen oder Landeszentralbanken.“