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Bezahlbarer Wohnraum für alle - statt Rendite für wenige

Alternativer Wohngipfel am 20. und 21. September in Berlin

Deutscher Mieterbund (DMB), Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB), Sozialverband VdK Deutschland, der Paritätische Gesamtverband, die BAG Wohnungslosenhilfe und das #Mietenwahnsinn Bündnis fordern gemeinsam eine grundlegend neue Wohnungs- und Mietenpolitik in Deutschland. 

Die Absprachen im Koalitionsvertrag, die wohnungspolitisch untauglichen Gesetzesvorhaben, wie Baukindergeld oder Sonder-AfA für den Mietwohnungsneubau, und die unzureichenden Mietrechtsänderungen zeigen aber, dass die Bundesregierung nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, ernsthaft umzusteuern und eine Politik für Mieter und Wohnungssuchende zu machen. Auch der zweieinhalbstündige Wohngipfel im Bundeskanzleramt wird keine Antworten auf die drängenden wohnungs- und mietenpolitischen Probleme unserer Zeit finden: 

  • 1 Million Wohnungen in Deutschland fehlen. 
  • Es wird zu wenig, zu teuer und oft an den falschen Standorten gebaut. Statt der erforderlichen 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr wurden zuletzt (2017) nur 285.000 Wohnungen fertiggestellt, zum Großteil Ein- und Zweifamilienhäuser oder teure Eigentumswohnungen. 
  • Der Bestand an bezahlbaren, preisgebundenen Wohnungen ist in den letzten 30 Jahren von rund 4 Millionen auf 1,25 Millionen zusammengeschrumpft. Nur etwa 26.000 neue Sozialwohnungen wurden im letzten Jahr gebaut. Gleichzeitig laufen aber für 50.000 bis 60.000 Sozialwohnungen jährlich die Preisbindungen aus. 
  • Die Grundstückspreise explodieren, sie verteuerten sich beispielsweise in Berlin im letzten Jahr um durchschnittlich 77 Prozent. 
  • Die Angebotsmieten in den Großstädten und Ballungszentren, wie Hamburg, Hannover, Nürnberg, München oder Berlin, sind zwischen 2008 und 2018 um 50, 60, sogar um 100 Prozent gestiegen. 
  • Im 2. Quartal 2018 stiegen die Neubaumieten um 5,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. 
  • Die Mieten in bestehenden Mietverhältnissen, das heißt die ortsübliche Vergleichsmiete, steigt mehr als doppelt so schnell wie die Verbraucherpreise. 
  • Mieterhöhungen nach Modernisierungen führen zu Mietsteigerungen von 30 und 40 Prozent, in Einzelfällen fallen die Mieterhöhungen noch höher aus. 
  • Schätzungsweise 50.000 bis 70.000 Mietwohnungen werden pro Jahr in Eigentumswohnungen umwandelt, Tendenz steigend. 
  • Die Wohnkostenbelastung liegt für 40 Prozent der Haushalte im Durchschnitt bei mehr als 30 Prozent. 
  • 860.000 Menschen sind wohnungslos. Immer mehr Mieterinnen und Mietern droht wegen eines unzureichenden Kündigungsschutzes und ständig steigender Mieten der Verlust der Wohnung. 
  • Mit Immobiliengeschäften werden Rekordergebnisse eingefahren, die Renditen steigen immer weiter. 
  • Mit immer mehr Häusern und Wohnungen bzw. Grundstücken wird spekuliert.


Mieterbund, Gewerkschaften, Sozial- und Wohlfahrtsorganisationen wollen deshalb zusammen mit mehr als 200 unterstützenden Organisationen auf einem Alternativen Wohngipfel in Berlin jetzt Antworten finden und diskutieren, die den Interessen und Bedürfnissen der Mieterinnen, Mieter und Wohnungssuchenden gerecht werden. Lösungsvorschläge sind zum Beispiel: 

  • Mietpreisbremse verlängern, schärfen, bundesweit anwenden, Ausnahmen streichen und Verstöße mit Bußgeld sanktionieren.
  • Betrachtungszeitraum bei der Vergleichsmiete auf mindestens 10 Jahre verlängern, Mieterhöhungsspielräume auf höchstens 10 Prozent in 5 Jahren reduzieren. 
  • Energetische Modernisierungsmaßnahmen sollen möglichst warmmietenneutral sein, andere Modernisierungsmaßnahmen nur mit Zustimmung der Mieter erfolgen dürfen. 
  • Umlage nach Modernisierung ist auf 4 Prozent der Baukosten zu beschränken und bei 1,50 Euro pro Quadratmeter im Monat innerhalb von 8 Jahren zu kappen. 
  • Zwangsräumungen verhindern und Kündigungsschutz verbessern. 
  • Sozialen und preisgünstigen Wohnungsneubau deutlich ausweiten und dauerhafte Bindungen einführen. 
  • Fördermittel für mindestens 100.000 leistbare Wohnungen pro Jahr bereitstellen. Das Planungsrecht muss für das Gemeinwohl eingesetzt werden.
  • Bodenpreise und Bodennutzung sind zu regulieren. Grundstücke der öffentlichen Hand dürfen nicht zum Höchstpreis veräußert, sondern in Erbpacht vergeben werden. 
  • Gemeinwohlorientierte Eigentümer und Vermieter stärken und eine neue Wohnungsgemeinnützigkeit einführen. 
  • Die Eigentümerlobby muss zurückgedrängt und Immobilienbesitz transparent gemacht werden. 
  • Diskriminierung sanktionieren, mehr barrierefreien Wohnraum schaffen und Wohnungslosigkeit verhindern. 
  • Die Kosten der Unterkunft und das Wohngeld realitätsgerecht jährlich anpassen.    


Lukas Siebenkotten, Bundesdirektor Deutscher Mieterbund (DMB): „Wir brauchen hunderttausende von neuen, vor allem bezahlbaren Wohnungen in den Städten und Ballungszentren. Statt Milliardenbeträge in ein wohnungspolitisch unsinniges Baukindergeld zu stecken, das in ländlichen Regionen allenfalls Mitnahmeeffekte auslösen und in Städten zum Kauf von - umgewandelten - Eigentumswohnungen anreizen wird, muss der soziale Wohnungsbau stärker gefördert werden. Mindestens 6 Milliarden Euro pro Jahr von Bund und Ländern sind erforderlich, um jährlich 80.000 bis 100.000 neue Sozialwohnungen zu bauen. Ein steuerlich geförderter Mietwohnungsneubau macht nur Sinn, wenn gleichzeitig Mietobergrenzen festgelegt werden. Ansonsten führt die steuerliche Förderung nur zu Renditesteigerungen bei den Investoren. Bis das bestehende Wohnungsdefizit abgebaut ist, braucht es mietrechtliche Rahmenbedingungen, die die zum Teil inflationäre Mietpreisentwicklung bei Wiedervermietungen, aber auch in bestehenden Mietverhältnisses auf die Vergleichsmiete oder nach einer Modernisierung stoppen.“   

Stefan Körzell, Mitglied des Vorstandes des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB): „Für die Gewerkschaften ist Wohnen ein Thema, weil sich hunderttausende Arbeitnehmer keine Wohnung mehr in der Nähe ihres Arbeitsortes leisten können. Die Lohnerhöhungen, die wir erkämpfen, werden durch steigende Mieten aufgefressen. Allein in den letzten sieben Jahren sind die Mieten in deutschen Großstädten um mehr als 50 Prozent gestiegen. Die kürzeren Arbeitszeiten, die wir durchgesetzt haben, verbringen die Menschen immer öfter auf dem Weg zur Arbeit statt bei ihren Familien.“   

Jens Kaffenberger, Bundesgeschäftsführer VdK: „Wohnen im Alter muss bezahlbar sein. Auch die besonderen Bedürfnisse von Senioren müssen bei Neu- und Umbauten in den Blick genommen werden. Schon heute ist ein Fehlbedarf von rund 2 Millionen altersgerechten und barrierefreien Wohnungseinheiten festzustellen, Tendenz steigend. Nur fünf Prozent aller Seniorenhaushalte sind altersgerecht, doch jeder Vierte hat motorische Einschränkungen. Barrierefreien und altersgerechten Wohnraum zu schaffen, ist eine der dringendsten Aufgaben in einer älter werdenden Gesellschaft. Dazu braucht es gezielte Investitionen und klare Vorgaben. Deshalb fordert der VdK den Bund auf, den Ländern ab deutlich mehr Finanz- und Fördermittel für die Schaffung von barrierefreiem und bezahlbarem Wohnraum bereitstellen.“   

Sabine Bösing, Stellvertretende Geschäftsführerin BAG Wohnungslosenhilfe: „Die BAG W schätzt für 2017, dass 860.000 Menschen wohnungslos sind - Grund genug, sich für eine alternative Wohnungspolitik stark zu machen und die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum für alle zu fordern. Wohnen ist ein Menschenrecht! Wenn dem Recht auf Wohnung Geltung verschafft werden soll, braucht es ausreichend präventive Angebote. Wichtig ist daher die Förderung zum Aufbau von kommunalen Fachstellen zur Verhinderung von Wohnungsverlust. Um Menschen in besonderen sozialen Schwierigkeiten wieder mit Wohnraum zu versorgen, brauchen wir Bindungen für vordringlich Wohnungssuchende und eine Quotierung bei Belegungsrechten. Ein bestimmter Anteil sozialgebundener Wohnungen muss zur Versorgung wohnungsloser Haushalte zur Verfügung stehen. Neben diesem Ansatz ‚Wohnungen für Wohnungslose‘ geht es uns vor allem um die Forderung einer bundeseinheitlichen Wohnungsnotfallstatistik. Die Statistik schafft zwar keine Wohnungen, aber sie macht den Bedarf und die Trends unabweisbar deutlich.“   

Magnus Hengge, Aktivist bei der Nachbarschaftsinitiative „Bizim Kiez – Unser Kiez“ aus Berlin-Kreuzberg und Vertreter des #Mietenwahnsinn-Bündnis, Berlin: „In den Kiezen und Nachbarschaften ist die Wohnungskrise zur bedrückenden Realität und zum bestimmenden Lebensgefühl geworden. Immer mehr Betroffene müssen die Innenstädte verlassen, weil sie sich zum Beispiel nach Modernisierungen und folgenden Mietsteigerungen schlicht die Wohnungen nicht mehr leisten können. Auch Geschäfte und soziale Einrichtungen werden in großer Zahl verdrängt, denn mit Gewerbemietverträgen haben sie keinerlei Bestandsschutz. Die Stadt wird in rasendem Tempo nach den Vorstellungen der Renditejäger umgestaltet und die Lebensqualität sowie die Lebensgrundlage vieler wird zerstört. Der öffentliche Protest der Initiativen gegen Verdrängung und Preissteigerungen ist oft das letzte Mittel, weil kommunale Instanzen keine Hebel zur Umsetzung einer gemeinwohlorientierten Immobilienentwicklung mehr haben. Darum brauchen wir einen radikalen Wechsel, hin zu einer neuen rahmengebenden Politik, die Mitbestimmung durch die Menschen in den Städten ermöglicht und die Gemeinwohlorientierung des Wohnens ins Zentrum setzt.“   

Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands: „Wohnen ist ein Menschenrecht, Wohnung ist keine Ware. Politik muss renditegetriebener Spekulation einen Riegel vorschieben. Eine moderne Sozialpolitik muss sich auch an wohnungspolitischen Erfolgen messen lassen."

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